Jörg Weigand : Träume auf dickem Papier
Das Leihbuch nach 1945 - ein Stück Buchgeschichte
Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2., erweiterte Auflage 2018, 250 S., brosch., 8 Seiten farbiger Bildteil, 29,– €, ISBN 978-3-8487-4893-8
Endlich ist sie da - die zweite - nun erweiterte - Ausgabe von Dr. Jörg Weigands Standardwerk zum Leihbuch. Leihbücher waren einst ein Phänomen auf dem Buchmarkt, welches, vor allem in den 1950er und 1960er Jahren, zur Veröffentlichung von Zehntausenden von Büchern führte, die zwar kaum literarische Höchstleistungen darstellten, die aber 'gute' Unterhaltungskost für Millionen von Lesern boten.
Angeboten wurden sie nur selten im normalen Sortimentsbuchhandel viel mehr fanden sie den Weg zu ihren Lesern über die damals florierenden kommerziellen Leihbüchereien, in denen man für wenige Groschen, die Bücher für einige Tage zwecks Lektüre ausleihen konnte.
Weigand hat das 1995 erstmals veröffentlichte Buch gründlich überarbeitet und damit den Umfang des Buches um circa ein Drittel erweitert. Vor allem sind jetzt einige neue Abschnitte, so über den Sittenroman und diverse Autorenbiographien sowie ein farbiger Bildanhang hinzugekommen. Dies ist gut, kann man sich doch so ein Bild davon machen, wie sie aussahen - diese Schmöker, in denen Liebesgeschichten, Krimis, Science Fiction, Western, Abenteuerromane und so manches andere gedruckt wurde.
Nach einem knappen historischen Überblick zur allgemeinen Geschichte der Leihbibliotheken folgen Kapitel über die Leihbüchereien, die spezialisierten Leihbuchverlage (es gab mehr als 200 davon), sowie die Themen und Inhalte der veröffentlichten Romane. Von hohem Wert sind dreißig Kurzvorstellungen wichtiger Autoren, über die ansonsten nur wenig veröffentlicht wurde - hier hat Weigand wirklich Pionierarbeit geleistet! Es schließen sich Kapitel über die Selbsteinschätzung der Schriftsteller, ihre Arbeitsbedingungen und Honorare sowie die Arbeit der Verlage an. Wie sah es z.B. mit dem Lektorat oder dem Vertrieb der Bücher aus? - Jörg Weigand hat die Antworten!
Leihbücher hatten oft Probleme mit der Zensur, etliche hundert von ihnen wurden zu Recht oder auch zu Unrecht von der häufig übereifrigen BPS indiziert, und verschwanden dann (vertriebsbeschränkt) unter den Ladentischen. Weigand hat alle diese Titel in einer Übersicht zusammengestellt - nicht zuletzt eine Fundgrube für heutige Sammler - und die Zensurpraxis der damaligen Zeit gründlich dokumentiert. Abgerundet wird sein Werk durch eine umfassende Bibliographie. -
Ich habe schon die Erstauflage von "Träume auf dickem Papier" regelmäßig für meine eigenen Recherchen in Sachen Leihbuch genutzt und kann die deutlich erweiterte 2. Auflage nur wärmstens weiterempfehlen. Für alle zukünftigen Forschungen zum Thema Leihbuch stellt sie eine unverzichtbare Grundlage für jeden Sammler Literaturwissenschaftler oder sonst an der Thematik Interessierten dar.
(Karl Jürgen Roth, im August 2018)