Montag, 16. Mai 2016

16-04

Ernest Haycox, 
ALDER-SCHLUCHT. 
AWA-Verlag München [1952] 
(255 S.) Original: Alder Gulch, dt. v. Hansheinz Werner

Es gelingt Haycox in ungemein detailgenauer Darstellung die Geschichte von Jeff Pierce zu präsentieren, der zusammen mit der jungen Diana Castle, einer Frau aus der höheren Schicht aus Portland, ins Goldland flieht.
Es ist das Jahr 1863 und das Land um die "Goldschlucht" wird von einer Bande von üblen Verbrechern terrorisiert, die sich "Die Unschuldigen" nennt. Und es dauert auch nicht lange, da sieht sich der beinharte Jeff Pierce auf der schwarzen Liste dieser Banditen, deren Oberhaupt der nach außen so smarte Sheriff Henry Plummer ist.
Jeff Pierce ist ein typischer Haycox-Held aus der Schaffensperiode des Autors Ende der 30er / Anfang 40er Jahre: innerlich zerrissen, hart gegen sich selbst und seine Umwelt mit einem unbändigen Haß auf die Schlechtigkeit der Welt. Mit seinen Gegnern ist Pierce alles andere als zimperlich und auch nicht mit Diana, die ihn liebt, aber sich schnell von ihm abgestoßen fühlt. In seiner klaren, spröden und doch wortgewaltigen Sprache gelingt es Haycox meisterhaft, eine wunderbare und glaubhafte Charakterstudie dieses Mannes vor einem historischen Hintergrund zu präsentieren, wie es nur ganz wenige Autoren können.
Nicht nur der Protagoniost Pierce wird detailgenau und meisterhaft gekonnt in Szene gesetzt; auch die weiteren Hauptpersonen dieser schönen Geschichte wirken alles andere als farb- oder leblos. Haycox zeigt uns in diesem farbenprächtigen Roman, dass es keineswegs nur eine Welt gibt, die nur schwarz oder weiß ist.
Da wären z. B. der Händler Ben Scoggins, der die Sympathien von Pierce gewinnt, sich aber auch in Diana verliebt, der wankelmütige Ollie Rounds, der ebenfalls ein Freund von Jeff Pierce ist, aber gemeinsame Sache mit den Banditen macht oder die authentische Figur des George Ives, ein Bösewicht durch und durch ...
Wunderbar gekonnt ist auch die Integration tatsächlicher Geschehnisse in den Handlungsablauf, wie z. B. der Mord an Deputy Dillingham, die Festnahme der mutmaßlichen Mörder, die kurz darauf wieder auf freien Fuß gesetzt wurden oder der Mord an dem jungen Goldgräber Nick Tibault, der letzten Endes das Zeichen für die Vigilanten setzte, unter den Banditen gründlich aufzuräumen.
Jede Szene in diesem Buch ist detailgenau und wunderbar dargestellt. Typisch für Haycox: auch in diesem Roman gibt es den Good-bad-Freund der Hauptperson (Ollie Pierce) und auch in diesem Roman steht unser Held Pierce zwischen zwei Frauen (Diana Castle und die Saloon-Sängerin Lil Shannon). Die Orte der Handlung sind so plastisch beschrieben, dass es dem Leser gelingt, sich ein wirklich genaues Bild der Geschehnisse zu machen.
Alder Schlucht ist ein absoluter Klassiker von einem wahren Meister des Genres in Szene gesetzt - für mich persönlich von DEM Meister schlechthin! (R. S. Stone)

Der Roman erschien in Deutschland auch unter den Titeln Goldrausch in Montana (AWA-Taschenbuch und Signum-Verlag) sowie Die Goldschlucht (Wilhelm Heyne Verlag); zumindest die Heyne Ausgabe ist deutlich gekürzt. - Nebenstehend: Titelbild einer amerikanischen Paperbackausgabe aus dem Jahr 1949 [= Dell 317]. (Karl Jürgen Roth)