Donnerstag, 17. Juni 2021

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Karla WEIGAND: Der Pontifex. Eine Projektion

Fehnland Verlag, Hamburg 2021 (476 S.)
ISBN: 978-3-96711-164-4 --- EUR 22,00

Karla Weigand wagt etwas Neues! Ich kenne sie ansonsten vorwiegend als Verfasserin von gut recherchierten historischen Romanen, mit "Der Pontifex" bietet sie uns heute 'Eine Projektion', eine Geschichte die in naher Zukunft spielt.
Anno Domini 2039 passiert in Rom etwas Unerhörtes. Das Konklave wählt erstmals einen Schwarzafrikaner zum Papst. Leo XIV. - oder Leo Africanus, wie er zunächst von Gegnern genannt wird, was er aber selbst gerne hört - zieht in den Vatikan ein. Für ihn nicht unerwartet, hat er doch diesen Posten seit seiner Jugend angestrebt.
Die katholische Kirche hat ihre heute bekannten Probleme (Mißbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Geistliche, massenhafte Kirchenaustritte etc.) auch 2039 nicht überwunden und erhofft sich vom neuen Papst viel. Er soll die Menschen in den Schoß der Kirche und des Glaubens zurückbringen.
Leo XIV. hat andere Pläne - als Kind hat er einen Schwur geleistet, den Schwur der Rache - einer Rache an allen Weißen, die einst Afrikaner - darunter auch seine direkten Vorfahren - ermordet und versklavt haben. Dies denkt er in seiner Rolle als schwarzer Papst verwirklichen zu können.
Er umgibt sich in Rom mit Dunkelhäutigen, es gelingt ihm auch unter den Europäern Vertraute und Helfer zu finden, die unter dem Vorwand, ihre Taten würden der Kirche nützen, zu Verbrechen bereit sind. Geplant werden Terroranschläge gegen Feinde des katholischen Glaubens, zudem irrwitzigerweise gegen Einrichtungen der Kirche selbst, die darin gipfelten, dass überzeugte Christen bereit sind, eines ihrer wichtigsten Gotteshäuser zu zerstören, um so Chaos und neuen Hass zwischen Christentum und Islam zu erzeugen. So möchte Leo Africanus einen neuen Religionskrieg zu provozieren, in dem sich die Gläubigen wieder um ihre Kirche scharen. Eigentlich möchte er insgeheim, dass sich alle Hellhäutigen gegenseitig zerfleischen, um so seinem privaten Racheschwur Genüge zu tun.
Beängstigend ist, wie leicht sich die Mitglieder einer geheimen kirchlichen Taskforce von solchen Ideen überzeugen lassen. Leo XIV. reagiert im Laufe der Handlung zunehmend psychopathischer, seine Paranoia kommt immer stärker zum Ausbruch - obwohl er dies lange nach aussen gut verbergen kann. Selbst seine afrikanischen Vertrauten wenden sich schließlich von ihm ab - sein Leibarzt vergiftet ihn und kommt damit seiner Geliebten Monique zuvor, die sich ebenfalls zur Tat durchgerungen hatte.
Der geplante große terroristische Anschlag findet nicht statt, ein neues Konklave wählt einen neuen Papst und in Rom und der katholischen Kirche bleibt alles beim Alten - die Probleme der Kirche bleiben ungelöst. - In New York wird die ehemalige Geliebte des Papstes, vor Abschluß des Manuskriptes ihrer brisanten Memoiren ermordet, den Mörder findet man später tot, die Auftraggeber bleiben unbekannt.
Eine spannende, unterhaltsame aber auch nachdenklich machende Projektion - ich möchte den Begriff Thriller vermeiden, die ich mit viel Gewinn gelesen habe und gerne empfehle.  (Karl Jürgen Roth, im Juni 2021)