Samstag, 30. April 2016

30-08

Joseph Chadwick: DER RENEGAT. AWA-Verlag München 1954 (238 S.) [= Lockender Westen] - OT: Renegade Gun (deutsche Übersetzung von Hansheinz Werner) - Nebenstehende Abbildung zeigt die US-Erstausgabe: Gold Medal 390, 1954

Dieser Roman behandelt ein recht interessantes Thema, wie ich finde: Der Texaner Tom Dundee, der sich der Nordarmee verschrieben hat und als Major entlassen wird, kommt auf seine Heimatweide nach Texas zurück. Nachbarn und Freunde nehmen es ihm mächtig übel, dass er als Texaner für die Nordstaaten gekämpft hat und er wird überall feindselig behandelt.

In dieser Zeit hat der skrupellose Overman mit seinem Kumpan Murdock in der Heimatstadt Dundees das Sagen. Durch das sogenannte "Zählgesetz", was durch ihre Hand unsauber abgewickelt wird, machen sie sich der Rinder auf den verschiedenen Weiden der texanischen Rancher und Farmer habhaft. Zudem hat Overman noch ein Verhältnis mit dem Major Hollister, dem Befehlshaber des Territoriums, was dazu führt, dass dieser den mächtigen Mann zwar haßt, ihm aber nichts anhaben kann. Hollisters Frau ist eine Intrigantin reinsten Wassers, was im Verlauf der Geschichte auch unser Freund Tom Dundee erfahren wird. Dundee schließt ein Abkommen mit dem Major, dass die Zählungen "sauber" über die Bühne zu laufen haben. Obwohl Dundee zwar seinen ehemaligen Nachbarn und Freunden als "Renegat" verhaßt ist, will er trotzdem zu ihnen halten. Es geht auch um seine eigene Ranch und seinen eigenen Brand.

Overman und Murdock bleiben nicht tatenlos (natürlich mit tatkräftiger Unbterstützung der Intrigantin Lily Hollister), als es darum geht, dass Major Hollister sich in diesem Falle auf die Seite der texanischen Rancher und Farmer stellt, die pausenlos betrogen werden. Sie setzen zu einem Gegenschlag an, der beinahe alles zunichte macht und auch Dundee fast zur Resignation bringt. Doch dieser rafft sich noch einmal auf und nimmt den Kampf mit äußerster Härte und Entschlossenheit auf.

Chadwick präsentiert hier einen wirklich schönen Roman in glaubhafter Darstellung vor historischem Hintergrund, der anhand der erzählten Geschichte einen Teil der in Texas herrschenden Misstände nach dem Krieg erzählt. Interessant ist auch die Darstellung von Tom Dundee, der sich in die zweifelhalfte Lily Hollister verliebt und das Mädchen, das ihn einst gerne gehabt hatte, bevor er in den Krieg zog, eher als Grenzerfrau in einem Kattunkleid abtut. Dieses Mädchen allerdings hegt auch keine große Zuneigung für Dundee, zumal sie ihn ja als Verräter des eigenen landes und der eigenen Nachbarn und Freunde ansieht.

Chadwicks Darstellung der intriganten Lily Hollister ist meiner Meinung für damalige Verhältnisse nicht sehr häufig anzutreffen. Im heutigen Sprachgebrauch würde man diese Frau als Hure oder Dirne beschreiben. Das hat Chadwick auch getan, indem er Lilly Hollisters Charakter in ihren Handlungsweisen darstellt. Und die sind alles andere als fein. Obgleich sich der Leser immer wieder fragt, ob Lilly sich nicht letzten Endes doch noch zum Guten bekennt, zumal Dundee sie nicht aus dem Kopf bekommen kann. Dennoch, diese Lady wird von Anfang an als "zweifelhaft" dargestellt - ganz und gar gegen die damals so verbreitete Manier, die Frau zumindestens in den Romanen der 30er - 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts als edel und gut darzustellen. Lilly ist das nicht, und Zane Grey hätte sicherlich seine Schwierigkeiten gehabt, diesen Roman so zu schreiben, wie es Chadwick tat. Das zu lesen macht einen großen Teil des Lesevergnügens der Geschichte aus.

Je schlimmer die eine, desto netter entpuppt sich dann die andere Frau, so dass das Gleichgewicht wieder hergestellt wird und der Protagonist doch noch zu seinem Recht der verdienten Liebe kommt ...

Eine ähnliche Charakterisierung einer "üblen" Frau ist in dem Roman Treffpunkt Pueblo (OT: Texas Fury) zu erkennen. Dieser Roman, ebenfalls in der Reihe Lockender Westen erschienen, wurde von John Callaghan geschrieben - und das ist nichts anderes, als ein Pseudonym von Joseph Chadwick ...
(R. S. Stone)