Rainer Eisfeld - Hundert Jahre deutsche Westernmythen. Von Armand bis Astor: "Alles authentisch"
Verlag Dieter von Reeken, Lüneburg 2019 (197 S., ill.) ISBN: 978-3-945807-51-4 - 17,50 €
Rainer Eisfeld - eigentlich als SF-Spezialist bekannt - beschäftigt sich in seiner neuen Studie vorwiegend mit deutschen Westernromanen und ihren Autoren. Eisfeld hat durchaus eine besondere Beziehung zum gewählten Thema, hat er doch vor Jahrzehnten einige klassische amerikanische Western in die deutsche Sprache übersetzt.
In 'Hundert Jahre deutsche Westernmythen' holt er weit aus. Seine "Darstellung entwickelt ein Panorama des 'deutschen' Wilden Westens". Zehn Kapitel zeigen dies. Zu Beginn benennt Eisfeld das zentrale Anliegen der Arbeit: die gleichbleibende Vorspiegelung historischer Authentizität im Western durch Autoren und ihre Werke. Belegen kann er diese Hypothese, in Darstellungen, die sich kenntnisreich mit Leben und Werk von verschiedenen deutschen Schriftstellern beschäftigen.
Friedrich Armand Strubberg, seinen Erlebnisse in Amerika und ihrer Widerspiegelung in den unter dem Pseudonym Armand veröffentlichten fiktionalen Texten widmet Eisfeld ein umfassendes Kapitel, bevor er sich mit dem Ich - alias Old Shatterhand - bei Karl May beschäftigt. Um die Wende zum 20. Jahrhundert findet man amerikanische Importe, z. B. in den Auftritten Buffalo Bills während mehrerer Tourneen und in der medialen Vermarktung seiner angeblichen Taten in langlebigen Romanheftserien. Ein anderer Zirkusartist, der auf zahlreiche selbst erlebte Abenteuer im Wilden Westen zurückblicken konnte - natürlich reine Fiktion -, nannte sich Billy Jenkins. Auch hier war angeblich alles authentisch. Eisfeld legt überzeugend dar, dass Erich Rudolf Otto Rosenthal - wie Jenkins bürgerlich hieß - wohl kaum in Amerika war und seine Erlebnisse von fleißigen deutschen Autoren zusammen fabuliert wurden. Unter diesen Schriftstellern war dann auch G. F. Unger, der in den 1950er Jahren zahlreiche Texte für die Nachkriegsausgaben von Billy Jenkins schrieb und später zum wohl bedeutsamsten Westernautor der Bundesrepublik Deutschland wurde. Dem Thema Authentizität in Ungers späteren Büchern widmet Eisfeld einen weiteren Abschnitt, in dem er sich auch mit den angeblich 'historischen Romanen aus dem amerikanischen Westen' des Sachbuchverfassers und Westernschriftstellers H. J. Stammel (Robert Ullman) kritisch auseinandersetzt.
Dies sind nur einige zentrale Bereiche, die im Rahmen der Untersuchung angesprochen werden. - Ich beschäftige mich seit langem mit dem Thema Western und habe bei der Lektüre so manches entdeckt, was mir bislang unbekannt war und zudem hat mir die Argumentation und die Darstellung Rainer Eisfelds für Aspekte die Augen geöffnet, die ich bisher nicht aus seinem Blickwinkel gesehen habe. - Als Fazit bleibt: eine wichtige, neue Studie zum Phänomen des deutschen Western, unverzichtbar für jede ernsthafte zukünftige Auseinandersetzung mit der Thematik. (Karl Jürgen Roth)